Besondere Zeiten
Ich habe in der Corona- Zeit die Eltern des kleinen Hannes begleitet. Hannes kam an einem frühen Mittwochmorgen viel zu früh, in der 18. Schwangerschaftswoche zur Welt.
Da durch die Besuchsregelung in den Krankenhäusern nur die Eltern da sein konnten, war es für die Familie ganz besonders schwer. Gott sei Dank durfte dann am Nachmittag auch die Sternenkinderfotografin eine Zeit mit den Eltern und dem kleinen Hannes verbringen, sodass wenigstens ein paar schöne Bilder als Erinnerung zur Verfügung stehen konnten. Als die beiden dann wieder zu Hause waren gab es zunächst nur ein Handyfoto, das der Papa von Hannes gemacht hat. Die beiden älteren Geschwister, 5 und 3 Jahre, und die Großeltern, konnten ihren Bruder und Enkel nur auf dem kleinen Bild anschauen.
Als ich dann am Sonntag die Beerdigung vorbereitet habe, war es wie eine Fügung. Wegen einer Frage habe ich mal wieder Kontakt zu Birgit aufgenommen und wir haben lange telefoniert. Und es kam auch die Frage: „Haben sich Geschwister und Großeltern verabschieden können?“ „ Nein“, war meine Antwort, „denn es durfte niemand ins Krankenhaus kommen.“
Birgit gab mir dann den Tipp, die Verabschiedung im Haus der Familie zu ermöglichen. Meine ersten Gedanken waren: „Wie das? Geht das überhaupt? Kann man das so einfach machen?“ Doch ich wollte es versuchen und frage die Eltern, ob sie dies möchten.
Und dann nahm alles seinen Lauf. Die Eltern wollten es gerne, auch wenn sie sich das gar nicht so genau vorstellen konnten. Wir verabredeten, dass wir am Montagabend, dem Tag vor der Beerdigung, Hannes zur Verabschiedung nach Hause bringen.
Dort haben wir dann mit den Eltern, den Geschwistern und den Großeltern im Haus der Familie Abschied genommen. Und das war so schön. Bei all der Trauer waren alle sehr glücklich und liebevoll mit dem kleinen Hannes. Auch die Fotografin war dabei und hat noch ganz viele Familienfotos gemacht. Nach etwa zwei Stunden hat die Mama den Kleinen dann ins Erdenbett gebettet und mir übergeben. Das war zwar nochmal ein ganz trauriger Moment, aber auch eine wertvolle Verabschiedung.
Zur Beerdigung am Dienstag kamen dann auch die Geschwister mit ihren Familien, alle konnten sich auf ihre Art verabschieden. Das kleine Erdenbettchen berühren und so „begreifen“, dass hier Abschied von einem Familienmitglied genommen wurde und Hannes so seinen Platz in dieser großen Familie hat.
Jeder hat eine Kerze ans Grab gestellt und die Kinder haben sich zum Abschluss um das Grab gestellt und so haben wir den kleinen Hannes in die Mitte genommen und mit einem Lied verabschiedet.
Ich habe sowohl als Seelsorger im Krankenhaus sowie als betroffener Vater, schon viele Sternenkinder verabschiedet, aber unter diesen Umständen eine so besondere Begleitung zu erleben, war auch für mich etwas Neues. Schön, dass Dinge sich manchmal einfach so fügen und zu etwas Unvergesslichem werden.
Klaus Elsner
Krankenhausseelsorger und Trauerbegleiter
Dieser Beitrag wurde geschrieben vom Teammitglied Klaus Elsner und ist erschienen im Magazin Herzenskind, Magazin für früh verwaiste Familien und Fachpersonen, Ausgabe 10.
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